Von Volker Himmelberg
STRAELEN | 105 Jahre nach der Gründung drohte dem SV 1919 Straelen in den vergangenen Monaten das nahezu Undenkbare. Die Liquidation wegen Zahlungsunfähigkeit – der Verein hätte schlicht und einfach nicht mehr existiert. Doch wie berichtet, gibt’s jetzt das Happy End. Der knapp 2.500 Mitglieder starke Breitensportverein startet voraussichtlich Ende August/Anfang September schuldenfrei in die Zukunft. Wie geriet der Verein in die Schieflage, wie gestaltet sich die Lösung, wer ist der Retter? Hier gibt’s die Antworten im Überblick.
Die Razzia Vermummte Zollfahnder mit Waffe im Anschlag – filmreife Szenen hatten die Kleinstadt Straelen im September 2020 in Aufruhr versetzt. Das Hauptzollamt Duisburg war im Großeinsatz. Die Beamten statteten unter anderen der Geschäftsstelle des SV Straelen, der Firma Tecklenburg und diversen Wohn- und Geschäftsräumen von Vorstandsmitgliedern ihren Besuch ab und beschlagnahmten damals ganze Aktenschränke, Computer und Handys. Die Auswertung nahm drei Jahre in Anspruch. Im vergangenen Oktober reichte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kleve die Anklage gegen den langjährigen Präsidenten und Hauptsponsor Hermann Tecklenburg sowie vier seiner Mitstreiter ein. Tatvorwurf: „Vorenthalten von Arbeitsentgelt“ in 513 Fällen. Insgesamt geht es um eine Summe von 862.000 Euro, die den Sozialkassen entgangen sein sollen. Es handelt sich um die Quittung für das „Abenteuer Regionalliga“. Das Problem: Der SV Straelen war für den Ausflug in den Grenzbereich des Profifußballs gänzlich ungeeignet.
Insolvenzantrag Bauunternehmung Tecklenburg Im Januar verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der Kleinstadt: Tecklenburg ist pleite, traditionsreiches Bauunternehmen und einer der größten Arbeitgeber in Straelen. Firmenchef Hermann Tecklenburg stellt einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Kleve. Die Beschäftigten bangen um ihre Arbeitsplätze, viele Handwerksbetriebe um ihr Geld. Erst allmählich dämmert den Verantwortlichen des SV Straelen: Was passiert jetzt eigentlich mit besagten 862.000 Euro?
Insolvenzantrag SV Straelen „Im Gegensatz zu der mehrfach vom ersten Vorsitzenden geäußerten Aussage, der SV Straelen habe mit der im Raum stehenden Steuer- und Sozialabgabenproblematik nichts zu tun, dies sei ausschließlich ein Thema von Hermann Tecklenburg und seiner Firma, könnte der SV 19 Straelen eventuell nun doch in Haftung genommen werden“, heißt es in einem Schreiben, mit dem sich der Vorstand des Sportvereins im Februar nach dem Rücktritt von Hermann Tecklenburg an die Öffentlichkeit wendet. Die stellvertretenden Vorsitzenden Jürgen Kerpen und Elmar Rogmann machen sich ganz schnell auf den Weg nach Kleve, stellen beim Amtsgericht einen Insolvenzantrag für den Sportverein, um damit dem möglichen Vorwurf der Insolvenzverschleppung aus dem Weg zu gehen. Allen Beteiligten ist klar: Bleibt es bei der Forderung von 862.000 Euro, ist der SV Straelen Geschichte. Mit dem Rückzug der ersten Mannschaft aus der Fußball-Oberliga erfolgt der erste Schritt in die richtige Richtung. Mit fast allen Spielern und Trainern einigt man sich auf Aufhebungsverträge.
Die Lösung Insolvenzverwalter André Dobiey macht sich sofort an die Arbeit, verschafft sich einen ersten Überblick und stellt den Grün-Gelben schon nach wenigen Tagen ein gutes Zeugnis aus: „Im Grunde genommen handelt es sich beim SV Straelen um einen gut geführten Breitensportverein mit gesunden Strukturen. Ich gehe fest davon aus, dass der Verein eine Zukunft hat.“ Der Krefelder Rechtsanwalt, der in der Vergangenheit beispielsweise auch schon für den 1. FC Kleve und den KFC Uerdingen tätig war, muss es wissen. Der SV Straelen ist beileibe nicht der erste Sportverein, der durch „König Fußball“ in die finanzielle Schieflage geraten ist. In der Vergangenheit hat sich schon häufig gezeigt, dass Staat und Sozialversicherungsträger Gnade vor Recht walten lassen, wenn ein Verein von großer gesellschaftlicher Bedeutung ist. Diese kann der SV Straelen nachweisen: Fast 2.500 Mitglieder, davon rund 1200 Kinder und Jugendliche, vom Babyschwimmen bis zum Rehasport ist für alle Generationen etwas dabei. Diese Argumente überzeugen die Gläubiger: Vor wenigen Tagen hat sich der SV Straelen mit den Sozialkassen auf eine „quotale Zahlung“ geeinigt. Die Summe bleibt geheim. Doch in solchen Fällen handelt es sich in der Regel um eher symbolische Beträge, die nach dem Motto „Strafe muss sein“ gezahlt werden.
So geht’s jetzt weiter Am Freitag ist das positive Abstimmungsergebnis – sprich die Einigung zwischen Verein und Gläubigern – bereits vom zuständigen Insolvenzgericht in Kleve bestätigt worden. Alle Beteiligten rechnen mit einer Aufhebung des Verfahrens bis spätestens Ende August.
Das sagt der Retter „Mit dem breiten Sportangebot in seinen zahlreichen Abteilungen, das aktuell allein über 1.200 Jugendliche nutzen, leistet der Verein einen großen Beitrag zum sozialen Miteinander in der Region und hat einen Neuanfang mehr als verdient. Das sehen erfreulicherweise auch die Gläubiger so“, sagt André Dobiey. Der Retter des SV Straelen ist ganz nebenbei auch ehrenamtlich ein echter Sportsmann: Seit 2007 engagiert er sich als Vorsitzender des Bundesgerichts des Deutschen Baseball- und Softball-Verbandes.
Das sagen die Fußballer „Es ist schön, dass der ganze Verein jetzt wieder in Ruhe arbeiten kann. In der Fußball-Abteilung werden wir ganz solide etwas aufbauen und dabei auch auf die Talente aus den eigenen Reihen setzen. Finanzielle Abenteuer wird’s hier nicht mehr geben“, versichert der neue Sportliche Leiter Peter Streutgens.
SV 19 Straelen e.V.
Römerstraße 49
47638 Straelen
Postanschrift:
Postfach 13 22
47630 Straelen
Telefon: 02834 / 70 35 30
Telefax: 02834 / 709 41 66
E-Mail: info(at)sv19straelen.de
Geschäftszeiten
Montag bis Freitag: 08:30 bis 12:30 Uhr
Donnerstag: 08:30 – 12:30 und 15:00 bis 18:00 Uhr